"Musik ist die Beschreibung der Welt ohne Worte und Begriffe. Sie ist die Philosophie der Gefühle."
Carl Ludwig Schleich
Musiktherapie
in der Heil- und Sonderpädagogik
Kinder und Jugendliche wie auch Menschen mit einer angeborenen Behinderung lieben Klänge, Töne und Geräusche in der Regel vom ersten Tag ihrer Geburt an. Sie reagieren sehr sensibel und unmittelbar darauf, da sie schon im Mutterleib geprägt wurden. Nach Eintritt ins Leben dient Musik dann der weiteren spielerischen und sinnlichen Erkundung des eigenen Selbst, des Körpers, der Stimme, der Gefühle, sowie der unmittelbaren Umwelt.
Bei einem entwicklungsbedingten Sonderbedarf ist es daher auch in der Therapie anhand von Klängen und Instrumenten möglich, auf natürliche Weise in eine gleichberechtigte Beziehung zu treten und dabei gleichsam gezielte wie behutsame Angebote für weitere Entwicklungangebote zu machen. Musik ist hierbei in der Lage, körperlich-emotionale Spannungen zu regulieren, Ängste zu reduzieren, sowie das Interesse an Neuem zu wecken. Grundlegende Eigenschaften der kindlichen Entwicklung, wie Aufmerksamkeit, Ausdauer, Sensomotorik, sozial-emotionale Interaktion, vorsprachliche Kommunikation, wie auch die sprachliche Entwicklung als solche werden in der Musiktherapie gleichsam unterstützt und der aktuellen Entwicklung angemessen gestaltet. In der Musiktherapie mit Jugendlichen oder Erwachsenen mit einer angeborenen Behinderung können Themen wie Selbstsicherheit, Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung, die häusliche Ablösung sowie eigene Lebensperspektiven weitere Unterstützung und Begleitung erfahren.
Auszug aus einer Therapiestunde mit einer zehnjährigen autistischen Klientin:
Klientin: „Gell, ich bin sehr scheu aber jetzt hab ich viel weniger Angst als am Anfang, als ich zu Dir kam. Was hast Du dann gemacht als ich Angst hatte?“
Therapeutin: „Ich war sehr vorsichtig mit Dir.“
Klientin: „Was ist vorsichtig?“
Therapeutin: „Wenn man ganz genau hinhorcht wie Du neulich, als Du die Klangschalen fühltest, weißt Du noch?“
(Vorgeschichte: In einer Stunde kürzlich nahm die Klientin die Klangschalen auf ihre Handfläche. Die Therapeutin schlug die Klangschale an und fragte sie: „Fühlst Du’s?“ Klientin: „Was ist fühlen?“ Therapeutin: „Das Kitzeln. Kannst Du das fühlen? Klientin: „Ja“. Nimmt die Klangschale und stellt sie sich auf den Bauch... Schlägt sie an, horcht, fühlt… Plötzlich während des unglaublich andächtigen, stillen Momentes: “Ist Fühlen das gleiche wie Gefühle?“ Therapeutin: „Ja, Deine Gefühle kannst du fühlen“.)
Klientin also: „Und jetzt bist Du immer noch vorsichtig mit mir?“
Therapeutin: „Selbstverständlich! Das werde ich auch immer sein. Alle Menschen müssen vorsichtig miteinander umgehen“.
Klientin: „Ich freue mich so, dass Du da bist und wir zusammen was machen können! Da wird mir ganz hell im Bauch und dann muss ich lachen.“ Lacht…
Quelle:
„Prozesse und Wechselwirkungen - Horchen, Verstehen und Handeln in der Musiktherapie mit autistischen Menschen.“ Hamel, N., Homberger, S. in "Das Hören des Therapeuten."
Jahrbuch Musiktherapie, Band 8
Hrsg. Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft e.V. (DMtG). 2012.